Sturm im Glas - Vorbote des Weinjahrgangs
Milchig-trüb kommt er daher, fruchtig-süffig schmeckt er und ein Prickeln auf der Zunge verursacht er - der Sturm. So nennt man ihn in Österreich, wo ihm im Weingesetz ein eigener Paragraph gewidmet ist (§ 7) und die geschützte Ursprungsbezeichnung geregelt ist. In Deutschland kennt man ihn als Federweissen und je nach Region auch als Rauscher, Bremser oder Bitzler. Die Schweizer nennen ihn Sauser oder Suser und die Italiener bezeichnen ihn als das, was er ist - vino nuovo - neuer Wein. Die Franzosen geben ihm dem Namen vin bourru, was übersetzt mürrischer Wein bedeutet und durchaus eine Charaktereigenschaft des Sturms abbildet.
Kein Most mehr, aber noch kein Wein
Sturm ist ein sehr lebendiges Herbstgetränk, weil die Hefe im noch trüben Traubensaft unaufhörlich daran arbeitet, Zucker in Alkohol umzuwandeln. Ab einem Prozent Alkoholgehalt darf man schon von Sturm sprechen, verkauft werden darf dieser jedoch erst ab einem Alkoholgehalt von vier Prozent. Sturm darf einen Gesamtalkoholgehalt von höchstens 13,5% vol. (weiß) bzw. 14,5% vol. (rot) aufweisen. Der für Landwein geltende Grenzwert von 15 g unvergorenem Zucker je Liter ist für Sturm laut Weingesetz nicht anwendbar. Mit ein Grund, warum das Ganze schnell ins Blut geht und einen Sturm im Kopf hervorruft!
Na dann Mahlzeit - Sturm richtig trinken
Die allerwichtigste Regel zuerst: Das Glas wird immer in der linken Hand gehalten und es wird niemals, aber auch wirklich niemals, angestoßen. Das typische „Prost“ ist hier fehl am Platz. „Mahlzeit“ oder „Krixikraxi“ sind die richtigen Trinksprüche. Zuwiderhandeln wird mit dem Bezahlen einer Runde bestraft! Erst ab Martini, also dem 11. November, wenn der junge Wein vollkommen durchgegoren, getauft und in die Flaschen gezogen wurde, wird wieder nach den alten Vorgaben getrunken und „Prost“ gesagt. In Österreich gibt es auf dem Weg vom Sturm zum Wein noch eine Zwischenstufe. Der vollständig vergorene, aber noch ungefilterte Wein wird als „Staubiger“ bezeichnet.
In Teilen des Weinviertels hält sich hartnäckig der Brauch, dass man soviel Viertel Sturm trinken sollte, wie man Jahre auf dem Buckel hat. Für ältere Semester in der kurzen Saison des Sturms - von der Weinlese bis Martini - also durchaus eine Herausforderung. Abhilfe schafft hier die gesetzlich erlaubte Inverkehrbringungzeit von 1. August bis 31. Dezember des jeweiligen Erntejahres.
Bei der Wahl des richtigen Glases für den Sturm haben sich zwei Hauptschulen herausgebildet. Die eine meint, dass sich das Bouquet des prickelnden Begleiters im Weißweinglas am besten entfaltet. Anhänger der anderen Schule bevorzugen das klassische Spritzerglas mit Henkel als Behältnis ihrer Wahl.
Sturm sollte gut gekühlt getrunken werden. Nicht nur, weil er sich so am besten - wenn auch nur ein paar Tage - hält, sondern weil sich so die erfrischende Kohlensäure gut mit den süßen und fruchtigen Aromen ergänzt.
Die beim Gärungsprozess entstehende Kohlensäure ist auch verantwortlich für die besonderen Tipps zu Lagerung und Transport von Sturmflaschen. Diese dürfen nie dicht verschlossen werden, da sie sonst zerplatzen könnten. Ein Stück Alufolie über der Flaschenöffnung der immer aufrecht zu transportierenden Flaschen hält kleine Fliegen ab.
Gesund ist er auch noch
Wer noch Argumente für den Sturmgenuss sucht, findet diese im gesundheitlichen Bereich. Sturm enthält die Vitamine B1 (Thiamin) und B2 (Riboflavin), welche das Nervensystem und den Stoffwechsel unterstützen. Die große Menge an Hefe im Sturm verhilft zu gesundem, kräftigem Haar und schöner Haut. Die verdauungsfördernde Wirkung von Sturm ist allseits bekannt. Umso erstaunlicher, dass unsere deutschen Nachbarn zum Sturm noch einen Zwiebelkuchen nehmen, der ja bekanntlich auch als verdauungsförderndes Lebensmittel gilt. Sturm aus roten Trauben enthält zudem noch Resveratrol. Der aus dem Rotwein bekannte Stoff soll dabei helfen, den Cholesterinspiegel auszugleichen. Apropos: Sowohl ein Viertelliter Weißwein als auch Sturm haben etwa 200 Kalorien, obwohl Sturm viel süßer schmeckt!
Regionale österreichische Sturm-Spezialitäten
Beim weißen Sturm kommen in allen österreichischen Weinbauregionen frühreife Rebsorten wie Müller-Thurgau, Frühroter Veltliner, Bouvier, Muskateller und Grüner Veltliner zum Einsatz. Beim roten Sturm dominieren die Hauptsorten Zweigelt und Blaufränkisch.
Im südlichen Burgenland rund um den Eisenberg findet man den Uhudlersturm. Dieser wird aus verschiedenen Direktträger-Sorten mit klingenden Namen wie Noah, Isabella oder Elvira verschnitten. Meist pink bis rot und nach Walderdbeeren duftend, kommt der Uhudlerstrum ins Glas.
Der steirische Schilchersturm wird aus der Traubensorte Blauer Wildbacher gewonnen und besticht durch seine Farbe und seinen frisch-fruchtigen Charakter.
In letzter Zeit gibt es, angefacht vom allgemeinen Roséboom, auch Winzer, die einen Rosésturm anbieten.
Der Geschmack des Speisebegleiters
Durch die Gärung entsteht viel Fruchtzucker, mit, je nach Rebsorte, unterschiedlichsten Aromen, die an Banane, Grapefruit, Ananas und andere exotische Früchte erinnern. So zeigt der Müller-Thurgau/Rivaner seine jungen Fruchtnoten, beim Grünen Veltliner kann man sein „Pfefferl“ schon erahnen und die Burgundersorten zeichnen sich durch ein leichtes „Nusserl“ aus. Beim roten Sturm aus Zweigelt und Blaufränkisch besticht der Geschmack von roten Früchten wie Erdbeere, Brombeere oder Himbeere.
Sturm ist ein idealer Partner von kräftigen Speisen, wenn seine Süße mit fruchtiger Säure ausgeglichen ist. Deshalb passt er ausgesprochen gut zu allen Schmankerln, die uns der Herbst auf die Teller liefert. Ein feiner, junger Sturm zu gebratener Hendlbrust mit Kürbispüree oder ein kräftiger Sturm zu Rehrollbraten mit Kürbisknödel und Birne sind lohnende Kombinationen.
Erfahrungsgemäß am besten schmeckt Sturm aber direkt beim Winzer. Beim urigen Heurigen, umgeben von herbstlichen Weingärten genießt sich die süße Spritzigkeit des Sturms bei einer g'schmackigen Brettljause oder zu gerösteten Maroni hervorragend.
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Fotoquellen: Anna G., ORF, ZDF
Autor: Kostfeder Hari Hittinger am 25.09.2022
Tags: Wein