Die Milli und der Strudel
Millirahmstrudel - Ein Klassiker der Wiener Mehlspeisküche
Der Millirahmstrudel oder Milchrahmstrudel kam in der Zeit der österreichisch-ungarischen Monarchie in Mode. Erstmals wird der Milchrahmstrudel samt Rezept in Wolf Helmhardt von Hohbergs Georgica Curiosa Aucta aus dem Beginn des 18. Jahrhunderts erwähnt, der wiederum auf ein anonymes handschriftliches Kochbuch verweist. Deshalb wird der oft als „Erfinder“ des Milchrahmstrudels genannte Franz Stelzer (1842–1913), Gastwirt in Breitenfurt bei Wien, wohl auf ältere Rezepte zurückgegriffen haben. Die Legende dazu klingt freilich noch verklärter. So soll eine Köchin namens Milli im Gasthaus „Zum roten Stadl“ des Wirten Franz Stelzer den Strudel erfunden haben. Tatsächlich pilgerten einst die Sonntagsausflügler fiakerweise in den Wienerwald auf einen Millirahmstrudel. Im Sommer 2004 wurde das ehemalige Ausflugslokal leider abgerissen.
Die Architektur des Strudels
Für die Füllung des Strudels werden kleinwürfelig geschnittene, mit Milch angefeuchtete Semmeln, Eidotter, Staubzucker, Butter, Vanille, geriebene Zitronenschale, Sauerrahm, passierter Topfen und Rosinen verwendet. Mit Kristallzucker steif geschlagener Schnee wird untergehoben. Der Überguss besteht aus Milch, Zucker und Ei. Weiters braucht man etwas Butter zum Bestreichen der Form und um den Teig geschmeidig zu halten.
Im Unterschied zum Topfenstrudel kommt sofort 1/3 des Übergusses dazu, der Rest nach und nach während des Backens, d. h. der Milchrahmstrudel wird eigentlich mehr gekocht als gebacken.
Kein Millirahmstrudel ohne sie - die Kanarimilch
Die Süßspeise wird warm, mit Vanillesauce, sogenannter „Kanarimilch“, übergossen, heute oft im irdenen oder gläsernen Kochgeschirr serviert. Die Kanarimilch ist die österreichische Form einer Vanillesauce, die etwas flüssiger ist und zu vielen Mehlspeisen wie Buchteln, gebackenen Mäusen, Topfenpalatschinken, Apfelstrudel und eben Millirahmstrudel serviert. Ob die Kanarimlich so heißt, weil ihre Farbe an einen Kanarienvogel erinnert oder weil diese sogar einem Kanarienvogel schmecken würde, ist bei diesem uralten Rezept nicht überliefert.
REZEPT (10 Portionen, aus: Klassische Österreichische Küche/Franz Maier-Bruck)
Zutaten für den Strudelteig: 200 g glattes Mehl, 20 g Öl, 65 ml lauwarmes Wasser, 1 Ei, 1 Prise Salz
Zutaten für die Fülle: 10 Schneidsemmeln (oder Weißbrot), 250 ml Milch, 100 g Butter, 120 g Staubzucker, 100 g passierter Topfen, 1 TL echter Vanillezucker, 1 abgeriebene Schale einer Biozitrone, 5 Eidotter, 5 Eiklar, 125 g Sauerrahm, 40 g Feinkristallzucker, 80 g Rosinen
Zutaten für den Überguss: 500 ml Milch, 50 g Zucker, 1 Ei
Außerdem: 2 EL flüssige Butter, Butter für die Form, Staubzucker zum Bestreuen
Zubereitung
- Aus allen Zutaten auf unbemehltem Brett einen halbweichen Teig machen. Wenn sich der Teig von Händen und Brett löst und glatt geworden ist, auf ein bemehltes Brett geben, die Oberfläche mit Öl bestreichen. Etwa 30 Minuten rasten lassen. Dann den Teig auf bemehltem Strudeltuch zu einem rechteckigen Fleck ausrollen und nach allen Seiten so dünn wie möglich ausziehen. Man greift dazu mit dem bemehlten Rücken der einen Hand unter den Teig, beginnt mit der anderen Hand immer von der Teigmitte aus in Richtung Tischkanten vorsichtig zu ziehen. Der Teig muß papierdünn werden und über die Kanten des Tisches gespannt sein. Für verzweifelte, ungeübte Strudeltiger gibt’s Fertigstrudelteig ;-)
- Die Semmeln abrinden, kleinwürfelig schneiden und mit der Milch befeuchten.
- Butter Staubzucker, Eidotter, passierten Topfen, Vanille und etwas geriebene Zitronenschale schaumig rühren. Nach und nach die übrigen Zutaten beigeben (ohne Rosinen, die man erst auf die aufgetragene Fülle streut), auch die Semmelwürfel. Zum Schluß den mit Kristallzucker aufgeschlagenen Schnee locker darunter ziehen.
- Die Fülle auf den ausgezogenen Strudelteig geben, dabei nur 2/3 damit bedecken. Zusammengerollt in einem feuerfesten, mit Butter bestrichenen Geschirr (Jenaglas oder Pfanne) im Backrohr etwa 45 Minuten lang bei 160-190 Grad backen. Sofort 1/3 des vorher zubereiteten Übergusses dazugeben, den Rest nach und nach während des Backens.
- Für die Zubereitung des Übergusses (= Kanarimilch) die Milch mit Zucker und Ei über Dunst aufschlagen. Nicht kochen lassen!
- Den Millirahmstrudel mit Kanarimilch als Beigabe warm servieren.
Genießen Sie den Millirahmstrudel im Rahmen unserer Gourmetreisen nach Wien! Link: Wiener Feinschmeckertouren
Fotoquellen: Sweets & Lifestyle®, Spar, Tyrol Phila Falch KG
Autor: Kostfeder Hari Hittinger am 26.08.2022
Tags: Tradition